Wie meine Facebook Abonnenten wissen, ist das Leben im Trainingslager in Äthiopien eher bescheiden. Meine Kleider wasche ich in der Duschwanne, eine Waschmaschine gibt es nicht. Und statt im gepolsterten Liegestuhl, geniesse ich mein Buch auf dem Holzstuhl. Gerade eben habe ich mir dazu aber was gegönnt - einen feinen Macchiato (und selbstverständlich ein Stück Schokolade). Dies nach einem herrlichen Morgenlauf über 21 km in 1h20Min.
Nun - viel Zeit bleibt mir nicht mehr, um den Harry Quebert fertig zu lesen. Deshalb muss ich gestehen, dass ich - so spannend die Geschichte auch ist - das Buch in diesem Trainingslager nicht, wie meiner Frau versprochen, zu Ende lesen kann. Schliesslich sind es nur noch ein paar Tage bis zum Marathon in Lake Biwa am 4. März. Am 27. Februar fliege ich ab, am 28. komme ich in Japan an. Soviel ich weiss, sind nur zwei Europäer eingeladen, aus Kenia kommen drei, einer aus Äthiopien. Er gehört aber nicht zu meiner Trainingsgruppe.
In der Woche vor dem Marathon reduziere ich mein Training auf 60-70 Laufkilometer. Ich esse gut und genug und erhole mich gut. Vor dem Marathon gibt es jeweils eine Pressekonferenz, bei der die Top-Athleten bekanntgeben, in welchem Tempo sie die Strecke laufen wollen. Das ist ein offizielles Announcement und vor allem für die Tempomacher wichtig. Denn diese sollen sich an diese Vorgaben halten. Tun sie es nicht, bekommen sie weniger Prämie. Wie schnell ich laufe, sage ich nicht im Voraus. Lasst euch überraschen. Schön wärs, wenn es nicht regnen würde. Doch über Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, denke ich nicht nach. Es ist, wies ist und kommt, wies kommt.
Das gilt auch für die Athleten, die an den Olympischen Spielen teilnehmen. Die dürfen sich vom Wetter auch nicht verrückt machen lassen. Da keine äthiopischen Sportlerinnen und Sportler dabei sind, ist hier das Interesse an den Spielen in Südkorea klein. Ich schaue mir im Fernsehen jeweils die Highlights an. Colognas Erfolg habe ich via Facebook mitbekommen. Den Slopestyle-Goldrun von Sarah Hoefflin habe ich gesehen und dass Roger Federer wieder die Nummer 1 im Tennis ist, ja, das habe ich auch mitbekommen. Er wurde ja im letzten August 36, ich werde im nächsten August - am Tag meines EM-Marathons in Berlin - auch 36. Da musste ich einfach einen Facebook Post darüber machen, dass das Alter nur eine Zahl ist....
A propos Alter: Mein junger Lauf-Kollege Julien Wanders (bald 22) hat mir vor ein paar Tagen in Barcelona den Halb-Marathon Schweizer Rekord weggeschnappt und um 33 Sekunden unterboten. Das kam nicht ganz unerwartet. Julien ist ein grosses Talent und selbstverständlich versuche ich, diesen Rekord wieder zurückzuholen. Konkurrenz macht nicht nur die Rennen spannend, sie macht auch mich und Julien stärker. Ich bin jedenfalls gespannt auf die nächste Escalade in Genf.
Bis dahin geht es aber noch ein paar Monate. Und mein Augenmerk gilt aktuell einzig meinem Rennen in Lake Biwa. Und in Japan sollten sich ja die Jüngeren vor den Älteren verneigen.
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